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07.06.2022

Auf einen Espresso

Wenn die Räume für Autonomie kleiner werden

In den 90er Jahren waren wir optimistisch. Das weitgehend friedliche Ende des kalten Krieges suggerierte so manchem, dass die Menschheit sich jetzt auf die drängenden Fragen für ein gemeinsames Leben auf unserem Planeten konzentrieren würde. Von heute aus gesehen, stellt sich die Frage, ob es Naivität oder einfach Trägheit war, die uns die Chancen, die sich damals öffneten, nicht ergreifen liesen.

Wenn etwas die Chancen ergriffen hat, dann war es wohl das kapitalistische System, das umgehend in die neuen Räume vorstiess und unter Freiheit vor allem die Freiheit der Märkte verstand. Solidarität und die Frage nach dem sorgsamen und vernünftigen Umgang mit den begrenzten Ressourcen für eine weiterhin wachsende und sich immer mehr vernetzende Weltbevölkerung wurden von dieser Entwicklung igonriert.

Gleichzeitig wurden die populistischen Bewegungen und die Resentiments gegen die als westlich wahrgenommene Lebensweise immer stärker. Die Auseinandersetzung mit dem Islamismus, der Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie radikal negiert, gehört ebenso dazu, wie die Abschottungspolitik Europas, der es bis heute nicht gelungen ist, eine menschenwürdige Praxis für die Migrationsbewegungen von Millionen Menschen zu konzipieren, geschweige denn zu realisieren. Populistische Präsidenten in zahlreichen Ländern - auch westlicher Prägung - höhlten und höhlen die Autonomie aller immer weiter ein und ignorieren die Vielfalt, die berechtigten Interessen und legitimien Rechte aller, die von einer Minderheit als "anders" gelabelt werden.Die globale Pandemie und der brutale Angriffskrieg Russlands in der Ukraine wirken als Beschleuniger der multiplien Krisensituation. Die Räume für Gestaltung von Freiheit und Teilhabe werden immer enger und müssen heute sogar in den westlichen Demorkatien als ernsthaft gefährdet betrachtet werden.

Wir stimmen aber nicht in den Kanon derjenigen ein, die behaupten, alles sei schlechter geworden. Es gibt an vielen Punkten Fortschritte wahrzunehmen. Die Sensibilität für die Rechte der Menschen, auf dehren Rücken der westliche Wohlstand aufgebaut ist, gehört in einer neuen Generation weltweit ebenso zum Repertoir wie die Besorgnis über den menschengemachten Klimawandel. Es ist eindeutig, dass wir als Menschheit diese Probleme und Herausforderungen nur gemeinsam bewältigen können. Covid hat überdeutlich gemacht, dass der Virus nur dann in den Griff zu bekommen ist, wenn uns das weltweit gelingt. Und auch der Krieg in Europa ist nur als globale Herausforderung zu bewältigen. Auch hier hat der Populismus und eine Medienlandschaft, die von Schockmeldungen lebt, zur Verstärkung des Problems beigetragen.

Der Schock eines archaischen und brutalen Krieges in Europa, initialisiert und geführt von einem Regime, das die grundlegenden Rechte der Menschen mit Füßen tritt und für eine erschreckende Weltordnung kämpft, sitzt tief. Seine Auswirkungen werden uns mindestens eine Generation lang beschäftigen und sind noch gar nicht abzusehen.

Das Bild der Gegenwart ist - wie immer widersprüchlich, ja zur Zeit fast deprimierend. Schaut man auf die positive Seite, so finden sich eine Vielzahl von Initiativen und Debatten, die der Verteidigung und dem Ausbau von Autonomie, Freiheit, Teilhabe und Solidarität gelten. Immer deutlicher wird, dass die Weltordnung, die auf Nationalstaaten beruht, angesichts globaler Krisen längst an ihre Grenzen gekommen ist. Wir sind eine Menschheit unter einem Himmel und wir müssen lernen, das wir die Welt nicht uns untertan machen können, sondern im Einklang mit der Natur leben müssen. Wir müssen lernen die drängsten Fragen der gerechten Verteilung der Ressourcen zu klären und umzusetzen. Dies wird nur durch eine echte Kooperation gelingen. Dafür brauchen wir eine ernsthafte Debatte über eine politische Ökonomie, die Menschen nicht nur als Konsumenten sondern auch als Bürger:in, als civil citizens als citoyen versteht.

Mediation reiht sich in diese Bewegungen ein. Mediation sieht und fördert den Mehrwert der Kooperation. Mediation zeigt auf, was notwendig ist, damit Kooperation gelingen kann und wir aus der Vielfalt von Perspektiven einen Mehrwert für alle schaffen können. Mediation liefert uns das Wissen und die Fähigkeit, wie aus Vielfalt ein Mehrwert für alle geschaffen werden kann. Mediation empowert und verwandelt Betroffene zu Beteiligten, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen.

Mediation verfolgt die konkrete Utopie, dass für die Zukunft nicht nur das gedacht wird, was wahrscheinlich ist, sondern das das erdacht werden kann, was darüber hinaus möglich ist. Ohne diese konkrete Utopie wäre die Zukunft nur die Fortschreibung der Vergangenheit in die Zukunft. Das können wir uns jedoch nicht leisten. Es braucht in fast allen Bereichen neue Ansätze und dafür braucht es neue Ideen, Phantasie und die Kraft zu Experiementen. Kooperation schafft Frieden, Solidarität und damit die Voraussetzungen zur Bewältigung der existentiellen Krisen der Gegenwart. Doch Mediation ist auch nicht naiv. Mediation braucht auch die Stärke und den Schutz grundlegender Menschenrechte gegen die mächtigen Feinde von Autonomie und Freiheit. Doch diese Feinde sind eben nicht nur die Populisten oder einzelne Akteure, sondern sind systemisch zu verorten und müssen daher auch systemisch analysiert und bekämpft werden.

Wir wissen uns in unseren Bemühungen nicht alleine, sondern Mediation reiht sich ein in eine Vielzahl von Bewegungen, die sich diesen ernsthaften Problemen konstruktiv zu stellen versuchen.

Man kann die Probleme der Gegenwart einfach hinnehmen, verzweifeln oder sich zumindest bemühen, an ihrer Lösung mitzuwirken. Wer Mediation macht, wer mediative Kompetenzen in seiner Umgebung umsetzt, fördert Kooperation und leistet einen Beitrag dazu.

Berlin, Juni 2022

Tags: News  

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