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29.12.2015

Die offene Gesellschaft braucht Mediation

Gedanken zu 2015

Karl Popper hat sich im Angesichts des Terrors und der anti-humanistischen Bedrohung durch den Nationalsozialismus intensiv mit der Frage nach dem Sinn der Geschichte beschäftigt. Was für einen Sinn soll eine Geschichte haben, in der Massenmörder, Kriminelle, fanatische Rassisten und Diktatoren das Sagen haben? Seine Antwort war klar und eindeutig: Die Weltgeschichte hat keinen Sinn, kein Ziel - die Geschichte läuft nicht automatisch auf eine gute Zukunft hinaus, sondern wir alle stehen in der Verantwortung, für diese gute Zukunft Sorge zu tragen. Für den kürzlich verstorbenen Helmut Schmidt war Popper damit einer der wenigen Denker, die er zeitlebens schätzte. Für Popper ist die Geschichte die Auseinandersetzung, um die offene Gesellschaft gewesen. Seiner Meinung nach hatte sich die Menschheit nicht vom Trauma des Verlustes der Stammesgemeinschaft erholt. Und wann immer die Moderne die Menschen überfordert, erleben Bewegungen einen Aufschwung, die den Traum von der verlorengegangene Einheit und Vollkommenheit weiter träumen wollen. Während die einen also den Weg zurück zu einer idealisierten Vergangenheit suchten, in der alles besser war, ohne Einflüsse von außen und ohne Fremde, meinten andere, der Weg in die Vergangenheit sei versperrt und neue Utopien und Heilsversprechen wären notwendig. Aber auch diesen Utopien erteilt Popper eine Absage - ob sie nun von Marx oder Jesus kamen. Wer das Ende der Geschichte zu kennen glaubt, ist in der Versuchung diktatorische Mittel anzuwenden, um seine Ziele zu erreichen. Sei es der Gottesstaat, der Nationalismus, der Kommunismus oder der Neoliberalismus.

Für Popper ist die offene Gesellschaft das Ergebnis gemeinsamer Anstrengungen aller und stellt sich nicht von alleine her. Die offene Gesellschaft, d.h. die Vorherrschaft der Vernunft, der Gerechtigkeit, von Freiheit, Gleichheit und internationalen Zusammenarbeit hat Mittel sich gegen ihre Feinde zu verteidigen. Zu diesen Mitteln gehören die Macht des Rechts und die Kraft des Arguments.

Für Popper stehen wir alle in der Verantwortung, die offene Gesellschaft zu erhalten und weite zu entwicklen. Dies ist der Sinn den wir der Geschichte geben können. Aus diesem Grunde lohnt es sich, sich dafür einzusetzen, dass Menschen miteinander ihre Probleme zivilisiert lösen und sich gemeinsam gegen jene wenden, die die offene Gesellschaft bedrohen.

Die Kunst ist dabei, die offene Gesellschaft zu schützen, ohne sie von innen her zu zerstören. Ihre Feinde sind vielfältig und finden sich auch unter denen, die vorgeben, sie beschützen zu wollen. Auf der einen Seite stehen die, die sich von den Anforderungen der Moderne, ihrer Vielfalt und dem Recht alles und jeden der Kritik zu unterziehen, überfordert fühlen. Werte wie Gerechtigkeit, Gleichheit und Freiheit sind notwendig abstrakt - es fehlt das konkrete Erleben von Gemeinschaft und Vollkommenheit. Die offene Gesellschaft ist nicht vollkommen, sondern immer im werden und immer sich selbst in Frage stellend. Es ist diese Offenheit selbst, die viele Menschen überfordert und in ihnen die Sehnsucht nach Geschlossenheit und Abschottung von einer als abstrakt und chaotisch wahrgenommenen und Angst einflößenden Umwelt weckt. Wenige Agitatoren und ein paar zusammen geflickte Ideologien reichen dann aus, damit die offene Gesellschaft von denen angegriffen wird, die sich derart überfordert fühlen. Damit wird die offene Gesellschaft doppelt bedroht. Zum einen von denen, die sie offen angreifen, Terror ausüben, die Menschenrechte mit Füßen treten und Menschen willkürlich ermorden und von Teilen derer, die sich dagegen wehren wollen. Die offene Gesellschaft muss daher gegen beide Angriffe verteidigt werden. Der Terror der islamischen Welt, der nach Europa, Afrika und USA getragen wird, ist dabei genauso gefährlich, wie die Aktionen derjenigen, die unsere Freiheit einschränken, weil sie uns vor der Bedrohung schützen wollen und damit zerstören, was sie zu schützen suchen.

Ein Kreislauf ist etabliert worden, in dem der islamische Terror Ängste in der offenen Gesellschaft weckt, die die Kräfte stärkt, die zurück in eine erstarrte Gemeinschaft wollen, die den Traum von Einheit und Vollkommenheit ohne Fremde träumen wollen und sich von der EU und der internationalen Zusammenarbeit am liebsten verabschieden würden. Dies wird noch dadurch verschlimmert, dass sich die demokratischen Kräfte in Europa unter dem Druck sehen, Härte zu zeigen, damit die nationalistischen Bewegungen in ihren Ländern nicht noch mehr Zulauf gewinnen. Doch dieser Schutz zerstört die Grundpfeiler der offenen Gesellschaft - Gleichheit, Solidarität und Freiheit. Wenn das Streben nach Sicherheit alle anderen Bürger- und Menschenrechte dominiert, dann werden wir selbst zur Karikatur dessen, was die anderen bekämpfen.

Was ist zu tun? Die offene Gesellschaft ist nicht wehrlos. Sie kann sich gut verteidigen. Sie hat das scharfe Schwert des Rechts zur Hand und die Machtmittel, dem Recht zur Durchsetzung zu verhelfen. Nutzen wir die Werkzeuge der internationalen Zusammenarbeit der Staatengemeinschaft und kooperieren wir auf der Grundlage internationalen Rechts, um gegen Willkür und Terror vorzugehen. Und die offene Gesellschaft hat das Argument und verwehrt sich nicht dem Diskurs. Schon beginnt in der islamischen Welt eine Auseinandersetzung über den Zusammenhang des Islams mit der Gewalt, die in seinem Namen ausgeübt wird. Ist dies nur ein Missbrauch und hat nichts mit dem eigentlich friedlichem Islam zu tun, oder aber muss sich auch der Islam selbst dem Diskurs und der Kritik stellen? Schon gibt es erste Stimmen, die genau dies fordern und die nicht bereit sind, hinzunehmen, dass über den Koran und seine Botschaft nicht diskutiert werden dürfe. Eine Kritik am Koran ist eben keine Verletzung der Menschenrechte und die offene Gesellschaft tut gut daran, ihr Recht auf Kritik und freie Meinungsäußerung gegen diejenigen zu verteidigen, die in jeder Kritik eine Beleidigung sehen. Tabus gehören zum Wesen einer geschlossenen Gesellschaft und genau hier darf die offene Gesellschaft nicht nachgeben. Es gibt sie, die Stimmen in der islamischen Welt, die eine Reformation des Islam fordern - sie brauchen unsere Unterstützung. Die offene Gesellschaft braucht den Dialog, er gehört zu ihrem Wesenskern - daran hängt alles: Unsere Lebensweise, unserer Wohlstand und unsere Freiheit.

2015 war ein Jahr, das uns bei der MAB gezeigt hat, wie wesentlich der Dialog ist. Es gibt zahlreiche Beispiele für Lösungen, die wir Menschen miteinander für brennende Probleme gefunden haben. Die Weltklimakonferenz ist so ein Beispiel, das Hoffnung macht - bei aller Skepsis, die sicher berechtigt ist - aber erstmals in der Geschichte der Menschheit, hat sich die Weltgemeinschaft auf verbindliche Absprachen einigen können - ein Erfolg für den Dialog und die Fähigkeit von uns Menschen gemeinsam wertschöpfende Lösungen zu schaffen. Die Atomgespräche mit dem Iran sind ein weiteres Beispiel, das Hoffnung macht. Es gab viele Situationen im vergangenen Jahr, die ohne Dialog zu Kriegen mit verheerenden Folgen hätten führen können. Keiner dieser Konflikte ist gelöst - aber wir sind miteinander im Gespräch. Es bleibt, wie Popper gesagt hat, unsere Aufgabe, der Geschichte einen Sinn zu geben.

Dialogische Prozesse nehmen an Bedeutung weiter zu. In einer komplexen, hochdynamischen Welt voller Unsicherheit und Vielfalt werden wir eine sinnvolle Zukunft nur dann gestalten können, wenn wir die Vielfalt von Denkmustern, Ideen, Erfahrungen und Chancen gemeinsam nutzen. Wenn wir die Denkmuster von Kampf und Unterwerfung überwinden, ja wenn selbst Kompromisse für uns einer vergangenen Zeitepoche angehören und wir uns dafür einsetzen, dass echte interessenorientierte Lösungen für alle möglich werden. Wenn aus Betroffenen, Beteiligte werden - dann werden wertschöpfende Lösungen möglich - für all die Herausforderungen, vor denen wir als Menschheit stehen: Krieg, Hunger, Überbevölkerung, Klimawandel, Krankheiten und ungerechter Zugang zu den Ressourcen und Chancen dieser Welt. Jeder Mensch, der seinen Beitrag zu mehr Dialog und friedlicher, argumentativer Auseinandersetzung im Umgang mit Vielfalt leistet, trägt seinen Teil zu einer besseren Zukunft für uns alle bei.

Tags: News  

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