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08.06.2023

Wie wir mit Hilfe mediativer Kompetenzen die Vielfalt von komplexen Heausforderungen vor denen wir als Menschheit stehen bewältigen können

Konfllikte gewaltlos beilegen

Ist überhaupt gewaltlose Beilegung von Konflikten mögich? fragte sich Walter Benjamin zum Jahreswechsel 1920/21. Er ist zutiefst davon überzeugt. Gerade in den Beziehungen zwischen Privatpersonen findet er vielfältige Belege dafür. "Ihr tiefgreifendstes Beispiel ist vielleicht die Unterredung, als eine Technik ziviler Übereinkunft betrachtet."

Mediation schafft genau diese Räume weit über den Bereich der Privatpersonen hinaus. Doch nachwievor müssen wir erleben, dass mediative Kompetenzen nicht ausreichend zum Einsatz kommen, wenn es um die gewaltlose Beilegung von Differenzen und Konflikten geht.

Dieser Tage habe ich am WDR Europa Forum teilnehmen dürfen. Eine Veranstaltung, die es seit 25 Jahren gibt und auf der sich hochrangige Vertreter:innen aus Politik, Wirtschaft und Medien ihrer europäischen Überzeugungen vergewisseern. Vor 25 Jahren, damals war ich noch Leiter der Forschungsgruppe Jugend und Europa und Koordinator des von mir aufgebauten Netzwerkes "Toleranz, Demokratie und Menschenrechte, habe ich bereits an diesem Forum teilnehmen dürfen. Ernüchternd war es festzustellen, wie sehr die Themen und Debatten sich noch immer ähneln - wie langsam wir Fortschritte machen, ja, wie wir in machen Feldern sogar wieder zurückgefallen sind. Bundeskanzler Scholz, der Bundespräsident und die EU Kommissionspräsidentin von der Leyden - sie alle bleiben gefangen in einem System, das national geprägt ist und daher für die Lösung globaler Probleme nicht mehr hinreichend ist.

Gleichzeitig ist auffallend, dass wir zur Zeit keine Debatten darüber führen, wie wir die Wirtschaft sehen wollen. Der Liberalismus, der die Auffassung vertritt, dass der Staat sich weitgehend zurückzuhalten hat und "der Markt" am besten weiß, was zukunftsfähig und gut ist, scheint ungebrochen. Schon der Versuch, die Gesetzgebung so zu gestalten, dass Menschen Entscheidungen treffen, die es auch zukünftigen Generationen erlauben werden, gut und hoffentlich besser zu leben, die allen Menschen Teilhabe und Partizipation ermöglichen - schon Versuche, die in diese Richtung gehen, werden als autoritär und bevormundend abgetan. Dass wir eine politische Ökonomie brauchen, die Menschen nicht nur als Konsumenten sondern auch als civil citizen versteht und fördert - diese Gedanken tauchen in den Debatten über Europa jedenfalls zur Zeit nicht auf. Noch  in den 90er Jahren wurde darüber erbittert gestritten - von den 20er, 60er und 70er Jahren ganz zu schweigen. Dies ist umso erstaunlicher, als Bundeskanzler Olaf Scholz sich gerne auf Michael. J. Sander beruft, der genau diese fundierte Kritik am herrschenden Liberalismus formuliert. Solche Debatten gerade im Europakontext zu führen, würde uns helfen, Faktoren zu identifizieren, mit denen wir der gravierenden Unzufriedenheit mit der Demokratie wirksam entgegentreten können.

Ein Lichtblick war dabei, dass immerhin die Begriffe "Mediation" und "Medaitor:in" fallen und es für alle Beteilgiten selbstverständlich scheint, dass die Mediation notwendig ist, wenn es um die Beilegung von Konflikten geht. Das kann man als Fortschritt ansehen. Doch ist Skepis angebracht. Nachwievor ist die Kenntnis über Mediation und sein Potential im Bereich der Politik und der Medien unzureichend. Hier liegt ein weites Feld für uns Mediator:innen.

Die multiplen Krisen unserer Zeit, menschenverursachte Klimakrise, Finanzkrisen, Wirtschaftskrisen, Migration und die Künstliche Intelligenz im Rahmen der Digitalisierung unserer Welt schaffen einen Problemdruck, den wir mit den bisherigen Mitteln nicht klären werden. Appelle sich besser zu verstehen und den Dialog zu suchen sind unzureichend, solange nicht verstanden wird, dass es sich dabei um Kompetenzen handelt, die vermitelt und erlernt werden müssen. Menschen können Probleme eigenverantwortlich lösen. Doch sie benötigen dafür manchmal einen allparteilichen Dritten, der Räume zu öffnen versteht, in denen gegenseitiges Verstehen möglich wird. In Anerkennung unserer Unterschiedlichkeiten können so Regelungen gefunden werden, die den Interessen aller dienen. Darauf können wir jetzt nicht mehr verzichten. Mediation muss sehr viel mehr in das Bewußtsein der Öffentlichkeit getragen werden. Der Staat muss seine Aufgabe auch darin sehen, die Wirtschaft so zu organisieren, dass Räume entstehen, in denen nicht nur Konsumenten, sondern Bürgerinnen und Bürger Verantwortung übernehmen und gemeinsam über Teilhabe entscheiden. Und es muss in der Bildung eine Förderung und Vermittlung mediativer Kompetenzen geben -je früher Menschen diese Kompetenzen erwerben, desto besser. Dann werden sich die positiven Potentiale kooperativen Verhaltens breit entfalten können. Wer dies als utopisch versteht, versteht es genau in diesem Sinne. Doch wenn wir nicht über das hinausdenken, was wahrscheinlich ist, wenn wir nicht anspruchsvoll das anstreben, was Möglich ist, werden wir keine Lösungen finden, die uns einen kompetenten Umgang mit den multiplen Krisen der Welt, wie wir sie geschaffen haben, ermöglichen.

Wie das gelingen kann? Dafür braucht es vielfältige Ansätze. Bildung, Regulierung der globalen Wirtschaft und die gezielte Förderung von Mediation sind nur einige Aspekte. Jimmy Carter hat nach seiner Präsidentschaft ein Center for Reconcillation aufgebaut. Hier werden Mediator:innen ausgebildet und stehen für internationale Konflikte zur Verfügung. Auch Europa braucht ein supranationales Centrum für Mediation. Die diplomatischen Dienste können das nicht leisten, denn sie sind nachwievor national begründet und dieser Logik verhaftet. Für die Bewältigung globaler Probleme brauchen wir globale Initiativen, die die Beschränkungen nationalen Denkens überschreiten. Wir sind eine Menschheit und können unsere Probleme nur lösen, wenn wir als eine Menschheit zu einer gerechten Verteilung und Teilhabe an den Ressourcen dieses Planeten gelangen. Der Weg dahin muss dialogisch, inklusiv und partizipativ sein.

Zurück zum Eurpopa Forum: Es ist bezeichnet, dass es vor allem die Stimmen junger Professor:innen und des Vizepräsidenten des Europa Parlamentes waren, die ein solches Verständnis aufzeigten. Hier gilt es anzusetzen und die demokratischen Kräfte zu stärken. Denn Demokratie ist so viel mehr als die Schaffung von Mehrheiten. Sie fusst auf den Dialog, der gewaltlose Auseinandersetzung und ist wie kaum eine andere Regierungsform zur Selbstkorrektur fähig. Gerade das Europa Parlement kann hier eine wesentliche Funktion übernehmen und die Macht des Rates und der Kommission ausbalancieren.

Berlin, Juni 2023

Tags: News  

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