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22.05.2015

Bahnstreik - Wie wir unsere Ressourcen auch in Sozio-ökonomischen Konflikten besser nutzen können

GDL und Bahnvorstand haben sich darauf geeinigt, die Auseinandersetzung über den anstehenden Tarifvertrag im Zuge einer Schlichtung weiter zu verhandeln. Auch die EVG, die die Mehrheit der Bahnmitarbeiter vertritt, will weiter mit dem Bahnvorstand verhandeln. Wieso aber mussten wir durch eine monatelange Streiksession? Gibt es keine andere Art mit gesellschaftlichen Konflikten umzugehen?

Gewerkschaften sind Solidargemeinschaften, die die Interessen der Arbeitnehmer gegenüber den Arbeitgebern vertreten. Gewerkschaften sind eine der großen Errungenschaften auf dem Weg zum sozialen und humanen Umgang mit den aus dem Kapitalismus sich notwendig ergebenden Konflikten. Gewerkschaften haben vieles durchgesetzt, was heute für uns eine Selbstverständlichkeit ist: dazu gehören die Reduzierung der Wochenarbeitszeit, aber auch der freie Samstag, um nur ein paar zu erwähnen. vor allem aber stellen Gewerkschaften sicher, dass die Arbeitnehmer nicht nur den Gewinn ihres Betriebes mehren, sondern daran auch fair profitieren. Als Sollidargemeinschaft sind Gewerkschaften somit auf Kooperation nach innen angewiesen.  Ihre Stärke beziehen sie gerade daraus, dass sei den gemeinsamen Willen der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber artikulieren und machtvoll, weil einheitlich, vertreten können. Wenn nun zwei Gewerkschaften gleichzeitig in einem Betrieb um die Gunst der Arbeitnehmer werben, so müssen sie notwendigerweise in Konkurrenz zu einander treten. Die Folge davon ist, dass jede Gewerkschaft sich durch eine noch härtere und konsequentere Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder vor der anderen Gewerkschaft auszeichnen muss. Statt Solidarität und Kooperation stehen jetzt die Eigeninteressen der Gewerkschaft und Konkurrenz zueinander im Zentrum der Bemühungen - mit anderen Worten: eine Entsolidarisierung der Arbeitnehmer ist die Folge. Insofern stellt die Übertragung des Prinzips des freien Marktes auf den Sektor der Gewerkschaften einen gewagten Schritt dar. Dass es sich bei diesem Schritt um eine rechtliche Einzelentscheidung eines Richters handelt, gehört für mich zu den erstaunlichen Aspekten dieses Sozia-ökonomischen Konfliktes. Dass jetzt die Bundesregierung auch wieder nur rechtlich, durch ein Gesetz darauf zu reagieren sucht, indem sie das Fenster, das ein Richter geöffnet hat, wieder schließen will - erscheint mir zwar folgerichtig, aber eben auch nur wieder ein Beleg für die Kreativitätslosigkeit unsere Zeit. Auf jedes Problem wird reulatorisch reagiert und werden die gesellschaftlichen Kräfte immer weiter eingeengt. Statt Eigenverantwortung in der Gesellschaft zu fördern, engt der Gesetzgeber die Möglichkeiten des Einzelnen und ganzer Gruppen immer weiter ein - doch das ist ein Thema für sich, dazu ein anderes Mal mehr.

Der Punkt, den ich hier machen will, ist folgender: Konkurrenz zwischen Gewerkschaften in einem Betrieb ist ein Widerspruch zum Solidaritätsprinzip, das der Idee der Gewerkschaft zugrunde liegt. Insofern müssen Gewerkschaften Strategien entwickeln, wie sie selbst der drohenden Endsolidarisierung entgehen. Selbstverständlich können und sollen Gewerkschaften gegen eine gesetzliche Regelung vorgehen, die ihn vorzuschreiben sucht, wie sie sich in den Betrieben zu organisieren haben. Aber sie sollten nicht übersehen, dass sich in der der - durch die gleichen Machtstrukturen - gegebenen Möglichkeiten der Aufteilung in Spartengesellschaften ebenfalls die Interesse der Arbeitgeber (um nicht vom Kapital zu sprechen) widerspiegeln. Ich bin mir nicht sicher, ob die Gewerkschaften dieses Risiko überhaupt schon erkannt haben. Jedenfalls frage ich mich: wo ist eine zukunftsfähige Antwort auf diese doppelte Gefahr?

Zurück zum eigentlichen Bahnkonflikt. Die Art, wie er geführt wurde und wird, ist für mich ein Seismograph dafür, wie wir mit Konflikten im Sozia-ökonomischen Bereich umgehen. Aus meditativer Sicht gäbe es einen alternativen Weg. Statt - wie in den letzten Jahren immer wieder zu beobachten - das alte Ritual von Forderungen, Drohungen, Abstimmungen, Warnstreiks, Streiks, Verhandlungen, Abbruch und erneuten Streiks zu verfolgen - an deren Ende dann immer irgendwelche Notschlichtungsverhandlugnen stehen - könnten sich die Tarifparteien die Errungenschaften der modernen Mediation zu nutze machen. Es ist ja interessant, dass die Tarifparteien und die Medien nach psychologisch geschulten Moderatoren, die hier vermitteln sollen, rufen. Zumindest rudimentär scheint hier die Ahnung durch, dass es auch andere Wege geben müsste. In der Realität werden dann jedoch wieder Politiker als Schlichter berufen. Einer für die Bahn, einer für die Gewerkschaften. Damit bleiben die Parteien ihren alten Ritualen verhaftet. Politiker können verhandeln, sie kenn die Ränkespiele und wenn sie ausreichend Seniorität haben, werden sie auch von den Tarifparteien ernst genommen. Aber sie sind nicht als Mediatoren ausgebildet und können daher in der Regel nur Verhandlungen nach dem bekannten Muster der Null-Summen-Spiele führen, die im besten Fall zu Kompromissen führen. Sie können sich nicht einmal vorstellen, wie ein Kooperationsspiel aussehen könnte, noch was eine wirkliche win-win-Lösung sein kann. Wie lange will unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft noch darauf verzichten, das wir innovativere Ansätze zur Lösung von Konflikten haben, die aus Konflikten echten Mehrwert schaffen, statt unsere Ressourcen im Kampf gegeneinander zu verschwenden?

 

 

Tags: News  

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